Zukunftswerkstätten
"Unsere Aufgaben für zukünftige Generationen sind: Selbstvertrauen, Selbstbestimmtheit und Selbstermächtigung ermöglichen und unterstützen“
... aus den Regionalkonferenzen
Bei den Reflexionstreffen, die dafür eingeführt wurden, alle zusammengetragenen Fragen und Anliegen, Kritiken, Stärken und Chancen noch einmal auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen, hat sich der visionäre Ausblick hin zum Format der konkreten Zukunftswerkstätte entwickelt. Es soll dies ein Raum der Diskussion und des Experiments sein, um konkret Themen verhandeln zu können, die relevant und brennend aktuell für viele sind. Hier könnte eine neue Praxis des Gemeinsamen ausprobiert und entwickelt, Fragen betrachtet, theoretisch und künstlerisch bearbeitet werden, die unsere gegenwärtige und zukünftige Gesellschaft betreffen. Wie wollen wir zusammenleben? Wie sieht ein Modell von sozialer Gerechtigkeit und solidarischer Zukunft aus? Wie können die Kraft und das Wissen von Vielen gesellschaftsübergreifend systemisch etabliert werden, so dass es nicht jedes Mal wieder von Null beginnend aufgesetzt werden muss? Welche Rolle spielen Kunst und Kultur in diesen wichtigen Zukunftsfragen?
Ausgangspunkt für das Format der Zukunftswerkstätten kann das Format der Regionalkonferenz sein, das viel positives Echo erwirkt hat. Besonders hervorgehoben wurde der Austausch zwischen vielen Akteur:innen unterschiedlicher Kunst- und Kulturfelder und Generationen, das Zusammenspiel von inhaltlicher Theorie, kritischer Debatte und künstlerischer Praxis sowie das Zusammenbringen unterschiedlicher Akteur:innen verschiedener Bereiche innerhalb der Kultur: Produzent:innen, Denker:innen, Verwalter:innen, Politiker:innen, Medien, Publikum, Öffentlichkeit. Als wichtige Dimension wird die Involvierung internationaler Gäste als grundlegend verstanden.
„KUNST UND KULTUR KÖNNEN ALS BINDEGLIED FUNGIEREN. SIE KÖNNEN NEUE DENKRÄUME SCHAFFEN UND HORIZONTE ERWEITERN, DENN IHNEN IST RADIKALES TRANSFORMATIONSPOTENTIAL INHÄRENT."
LAURA BÄUMEL, KULTURANTHROPOLOGIN
Impulsreferentin bei der Regionalkonferenz Südoststeiermark 2. Mai 2022 im Veranstaltungszentrum Feldbach
An dieser Stelle wurde die Möglichkeit eines positiven Anknüpfungspunkts an die STEIERMARK SCHAU gesehen: Es könnten Zukunftswerkstätten mit entsprechender Thematik an den jeweiligen Austragungsort der STEIERMARK SCHAU andocken. So würde die regionale Kunst- und Kulturszene involviert und eine Verbindung zwischen regionalen und internationalen, künstlerischen und wissenschaftlichen Positionen hergestellt werden. Auch hier gibt es unterschiedliche Initiativen, die derartige Vorgangsweisen im Kleinen bereits ausprobiert haben oder gegenwärtig ausprobieren. Diese sollten eingeladen werden, sich zu involvieren, inhaltlich fokussierte Projekte einzureichen, die entsprechend unterstützt, sichtbar gemacht und finanziert werden.
In Hinblick auf die sogenannte avancierte Kunstszene, wurde die starke Grazer und steirische internationale Leuchtkraft der 70er, 80er, 90er Jahre des 20. Jahrhunderts reflektiert. Ein „Back to the Future" wird allerdings als illusorische Nostalgie verstanden, vielmehr dreht sich die Welt weiter und es gibt andere Fragestellungen:
Was ist der eigene Handlungsspielraum der unterschiedlichen Institutionen und Initiativen heute und morgen? Wie sind Kunst und Kultur in den Medien präsent? Gibt es einen intellektuellen öffentlichen Diskurs? In der Praxis ist internationales Arbeiten für viele Alltag. Warum haben sich Wirkung und Schlagkraft verändert? Ein immer wieder geführter Diskurs kreist um eine gewisse „Skandal-Nostalgie". Was sind heutige Werkzeuge, Phänomenologien?
"Kultur ist nicht nur (Aus)Bildung, sondern Herzensbildung"
... aus den Regionalkonferenzen
Auf der einen Seite steht die unmissverständliche Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit, gerade im Feld der Kultur Brücken zu vielen Bereichen zu schlagen, nach Verbindungen und Verbindlichkeiten zu suchen, einen breiten Zugang zu Kunstausbildung und Kunstrezeption zu bieten und allen Mitgliedern der Gesellschaft uneingeschränkten Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen. Dies bedeutet die Umsetzung des Artikels 27 der Menschenrechte:
(1) Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich der Künste zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Wohltaten teilzuhaben.
(2) Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz der moralischen und materiellen Interessen, die sich aus jeder wissenschaftlichen, literarischen oder künstlerischen Produktion ergeben, deren Urheber er ist.
Das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben erschöpft sich nicht im Besuch von Veranstaltungen und Museen, sondern ist in einem weiteren Sinn zu verstehen. Dazu zählt auch das Recht, seine eigene Kultur zu leben. Zu den kulturellen Rechten zählt auch der Zugang zum kulturellen Erbe anderer.
Auf der anderen Seite muss Kunst immer wieder von jeglichem Nutzen, von jeglicher Verwertbarkeit freigespielt werden. Sie muss nur für sich selbst stehen dürfen, im besten Sinne der Freiheit von und für Kunst, unabhängig vom Standort in stringenter internationaler Vernetzung und Überwindung eines lediglich patriotisch gedachten Steiermarkbezugs. Gleichzeitig wird die Rolle der Kunst höchst politisch gesehen und darf gerade deshalb nicht parteipolitisch vereinnahmt werden. Hier kommt in Graz über die Jahre zum wiederholten Mal die Debatte um eine freie Akademie für Kunst zur Sprache. Mittlerweile ist ein neuer Ausbildungszweig für Kunstpädagog:innen an der Pädagogischen Hochschule in einer ersten Umsetzungsphase, der in alle weiteren Überlegungen eingebunden werden soll. Im großen Steiermark-Kontext der Empfehlungen ist die Frage nach einer offenen Akademie eine, die in den nächsten Jahren in der Fokusgruppe „Bereichs- und ressortübergreifendes Arbeiten" mit Fokus auf „Kunst/Kulturschulen" verortet werden muss.
Themenblöcke, die in allen bisherigen Phasen der Kulturstrategie immer wieder quer durch alle Reflexionen identifiziert wurden, verdichten das Gesamtgewebe und sollten in den nächsten Jahren sukzessive bearbeitet werden. Eine mögliche Vorgangsweise könnte sein, dass Themenfelder, die einer spezifischen Region inhärent sind, eben dort im Zuge einer Zukunftswerkstätte ausgeschrieben und kooperativ behandelt werden. Die von herkömmlichen Calls abweichende Vorgangsweise ist jene, dass von der Bedarfslage ausgegangen wird und daher eine starke Verbundenheit zum entsprechenden Feld vorausgesetzt werden kann. Es würde dadurch der häufig artikulierte Wunsch respektiert werden, dass es keine inhaltlichen Setzungen von außen/oben braucht, sondern dass an Vorhandenes angeknüpft werden soll:
- Baukultur (laufender Leitbildprozess des Landes: A9, A15, A16, A17); Abhaltung einer Baukultur-Enquete
- Digitalisierung
- Erinnerungskultur
- Gendergerechte Kultur
- Grenzkultur / Mehrsprachigkeit
- Inklusion und Diversität
- Internationalisierung (unter anderem noch bessere Anknüpfung an das Steiermark-Büro in Brüssel und die österreichischen Kulturforen weltweit)
- Jugendkultur (laufender Strategieprozess des Landes; A6)
- Klimakultur / Nachhaltigkeit
- Kultur und Kirche
- Kultur und Kultus
- Museen / kulturelles Erbe
Mit den Zukunftswerkstätten können bis hin zum bereichsübergreifenden Arbeiten die Beziehungen zwischen den Kulturfeldern künstlerisch und theoretisch befragt werden. Hin zum ressortübergreifenden Arbeiten können Formate mit Schulen ausprobiert werden.
Hin zu den Kulturdrehscheiben können die Zukunftswerkstätten dazu dienen, den Austausch zwischen Stakeholdern anzuregen. Auch dafür könnten neue Formate entwickelt werden.
Hin zu den regionalen Profilen dienen die Zukunftswerkstätten, um identitätsstärkende Themenfelder zu vertiefen.
Für Zukunftswerkstätten sollten spezifische Förderparameter definiert werden, nach denen Einreichungen entsprechend beurteilt und gefördert werden.
Das könnte z.B. die Bedingung zu Kooperationen zwischen Initiativen wie bei der Bewerbung für das Kulturfestival regionale sein. Das hat im regionalen Kontext meist zu sehr produktiven Reibungen und langfristigen Beziehungen geführt, die noch heute ihre Wirksamkeit haben. Es wird mancherorts auch über ein Scheitern der regionale im Großen oder im Detail berichtet. Dabei ist auffällig, dass es ein klares Bewusstsein für Fehler zu geben scheint, die wohl nicht wiederholt werden würden und meist trotz des Scheiterns einen positiven Rückblick ermöglichen, der häufig mit den sehr produktiven Kooperationen erklärt wurde.